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Steuer-News

Gemeinnützigkeit einer Internet-Plattform für Online-Petitionen

Ein Verein, der nach seinem Satzungszweck die Förderung des demokratischen Staatswesens verfolgt und hierfür eine Online-Plattform bereitstellt, auf der Petitionen und Kampagnen gestartet werden können, ist gemeinnützig, wenn sich die Petitionen auf potentielle parlamentarische Vorgänge beziehen und nicht auf privatrechtliche Vorgänge.

Hintergrund: Gemeinnützige Körperschaften sind körperschaft- und gewerbesteuerfrei. Die Gemeinnützigkeit setzt voraus, dass der Verein bzw. die GmbH nach der Satzung einen im Gesetz genannten gemeinnützigen Zweck verfolgt und dass dieser auch tatsächlich umgesetzt wird. Nach dem Gesetz gehört z.B. die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens zu den gemeinnützigen Zwecken; ausgeschlossen sind jedoch Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind.

Sachverhalt: Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar die Förderung des demokratischen Staatswesens verfolgt. Er unterhielt in den Streitjahren 2016 und 2017 eine Online-Plattform, auf der Petitionen und Kampagnen unentgeltlich gestartet werden konnten. Die Petitionen und Kampagnen konnten sich an staatliche und an nichtstaatliche Stellen richten. Außerdem bot der Kläger Unterstützung bei Petitionen und Kampagnen an, die er für erfolgreich oder relevant hielt. Petitionen, die einen „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalt hatten, wurden nicht zugelassen. Das Finanzamt erkannte die steuerliche Gemeinnützigkeit nicht an, sondern erließ einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem es die Körperschaftsteuer auf 0 € festsetzte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Gemeinnützigkeit für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Zwar ist die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich Deutschlands grundsätzlich ein gemeinnütziger Zweck. Dieser Zweck kann durch die Bereitstellung einer Online-Plattform, die die freie, offene und unreglementierte politische Willensbildung bei der Ausübung der Staatsgewalt betrifft, gefördert werden, wenn der Plattformbetreiber die dort online gestellten Petitionen bzw. Anliegen – auch parteipolitisch – neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert.

  • Allerdings steht noch nicht fest, ob es dem Kläger um die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ging. Eine derartige Förderung ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn die auf der Online-Plattform zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung bezüglich der Ausübung der Staatsgewalt Einfluss nehmen sollten. Das jeweilige Anliegen muss also geeignet sein, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein bzw. zu werden. Die Petitionen bzw. Anliegen dürfen nicht privatrechtliche Anliegen, etwa die Kündigung eines Vermieters, betreffen oder etwa zu einem Boykott aufrufen.

  • Zu klären ist ferner, ob sich der Kläger, soweit er Petitionen und Kampagnen unterstützt hat, auf die Förderung des offenen Prozesses der politischen Meinungsbildung beschränkt hat – dies wäre steuerlich unschädlich – oder ob er sich bestimmte Anliegen zu eigen gemacht hat. Auch müssen die Kriterien, die für ihn bei der Förderung maßgeblich waren, dahingehend überprüft werden, ob sie die notwendige geistige Offenheit gewährleisteten. Problematisch wäre es, wenn der Kläger vor allem solche Anliegen gefördert hätte, die mit besonderer Intensität betrieben wurden; denn dann hätte der Kläger die „lautstärkste“ Meinung unterstützt.

Hinweise: Das FG muss den Sachverhalt nun weiter aufklären. Dabei muss es auch aufklären, nach welchen Kriterien der Kläger einzelne Petitionen bzw. Anliegen als rechtswidrig eingestuft hat. Schließlich muss sich das FG damit auseinandersetzen, ob die Beschränkung der Förderung des Staatswesens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine bloß räumliche Beschränkung der Tätigkeit des Klägers bedeutet, so dass der Kläger nicht vom Ausland aus tätig werden durfte, ob damit die Förderung des demokratischen Staatswesens im Inland gemeint ist.

Nicht begünstigt ist im Übrigen die Förderung politischer Einzelmeinungen. Unschädlich ist es aber, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.12.2024 – V R 28/23; NWB