Doppelte Grunderwerbsteuer bei zeitlich gestaffeltem Erwerb von GmbH-Anteilen zulässig?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält es für rechtlich zweifelhaft, dass Grunderwerbsteuer doppelt entsteht, wenn über Anteile an einer grundbesitzenden GmbH zunächst ein schuldrechtlicher Anteilsübertragungsvertrag (sog. Signing) geschlossen wird und einige Wochen später die vereinbarte Abtretung der GmbH-Anteile (sog. Closing) erfolgt. Der BFH hat daher Aussetzung der Vollziehung gewährt, so dass die Grunderwerbsteuer im konkreten Streitfall bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht bezahlt werden muss.
Hintergrund: Grunderwerbsteuer entsteht nicht nur beim Verkauf eines Grundstücks, sondern auch, wenn mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft veräußert oder übertragen werden. Das Gesetz knüpft in unterschiedlichen Regelungen mal an den Verkauf, also an das Verpflichtungsgeschäft, und mal an die Übertragung der Anteile, also an die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts an. Der Gesetzeswortlaut derjenigen Regelung, die das Verpflichtungsgeschäft besteuert, deutet darauf hin, dass vorrangig die Übertragung der Anteile – und nicht das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft – zu besteuern ist.
Sachverhalt: Die Antragstellerin erwarb alle Anteile an einer grundbesitzenden GmbH durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11.3.2024 (sog. Signing). Die vertraglich vereinbarte Abtretung dieser Anteile durch die Veräußerin an die Antragstellerin erfolgte am 29.3.2024, nachdem die Antragstellerin den Kaufpreis bezahlt hatte (sog. Closing). Die Übertragung der GmbH-Anteile vom 29.3.2024 wurde dem Finanzamt nicht angezeigt. Am 30.5.2024 erließ das Finanzamt zwei Grunderwerbsteuerbescheide: Zum einen setzte es gegenüber der Antragstellerin Grunderwerbsteuer aufgrund des Vertrags vom 11.3.2024 fest, der zu einer sog. Anteilsvereinigung von mindestens 90 % (hier 100 %) geführt hatte; zum anderen setzte es gegenüber der GmbH Grunderwerbsteuer aufgrund der Anteilsübertragung vom 29.3.2024 fest. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Nachdem das Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, kam der Fall zum BFH.
Entscheidung: Der BFH gewährte die Aussetzung der Vollziehung des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Grunderwerbsteuerbescheids, weil das Gericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Bescheides hatte:
Es ist rechtlich zweifelhaft, ob bei einem zeitlichen Auseinanderfallen des schuldrechtlichen Veräußerungsvertrags (sog. Signing) und der Anteilsübertragung (sog. Closing) zweimal Grunderwerbsteuer festgesetzt werden darf, wenn dem Finanzamt bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den Veräußerungsvertrag (sog. Signing) bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (sog. Closing) bereits erfolgt ist.
Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass es einen Vorrang der Grunderwerbsteuerfestsetzung für die Übertragung der GmbH-Anteile (sog. Closing) gibt; jedoch akzeptiert die Finanzverwaltung diesen Vorrang nur dann, wenn beide Vorgänge – das sog. Signing und Closing – gleichzeitig erfolgen. Nach Auffassung des BFH lässt sich dem Gesetz eine derartige zeitliche Beschränkung jedoch nicht entnehmen.
Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ergeben sich auch daraus, dass dem Finanzamt beim Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids gegenüber der Antragstellerin bereits bekannt war, dass die Anteilsübertragung (sog. Closing) bereits erfolgt war.
Hinweise: Der BFH hatte die Streitfrage bislang noch nicht entschieden; sie bleibt auch weiterhin offen, da es sich nur um eine Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes handelt.
Der Gesetzgeber hat im Jahr 2022 eine Gesetzesänderung eingefügt, die das Ergebnis einer doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung in Fällen wie dem Streitfall verhindern soll. Danach soll die Grunderwerbsteuerfestsetzung für das Veräußerungsgeschäft auf Antrag aufgehoben werden. Allerdings setzt dies voraus, dass sowohl das Veräußerungsgeschäft (sog. Signing) als auch die Anteilsübertragung (sog. Closing) dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, angezeigt worden sind. Eben dies ist im Streitfall unterblieben, so dass die Neuregelung der Antragstellerin nichts half.
Je nachdem, ob das Veräußerungsgeschäft oder aber die Anteilsübertragung besteuert wird, ist Schuldner der Grunderwerbsteuer der Erwerber der Anteile oder aber die Gesellschaft selbst. Daher hatte das Finanzamt den einen Bescheid gegen die Antragstellerin als Erwerberin und den anderen Bescheid gegen die GmbH erlassen.
Quelle: BFH, Beschluss vom 9.7.2025 – II B 13/25 (AdV); NWB