Vorsteuerabzug eines im Ausland ansässigen Unternehmers
Ein Unternehmer, der im Ausland ansässig ist und in Deutschland nur einen einzigen Umsatz getätigt und Umsatzsteuer an einen Lieferanten gezahlt hat, kann diese gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren – also ohne das Vergütungsverfahren in Anspruch zu nehmen – geltend machen, wenn ihm der Lieferant eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt hat. Wird die Rechnung vom Lieferanten zunächst ohne Umsatzsteuerausweis erteilt und erst im Folgejahr berichtigt, so dass nun Umsatzsteuer ausgewiesen wird, kann der Vorsteuerabzug erst im Folgejahr erfolgen, auch wenn der Unternehmer im Folgejahr keinen Umsatz mehr in Deutschland tätigt.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug wird grundsätzlich in der Umsatzsteuererklärung geltend gemacht. Anders ist dies bei Unternehmern, die im Ausland ansässig sind, und in Deutschland keine Umsätze tätigen, aber Waren oder sonstige Leistungen in Deutschland einkaufen; sie geben keine Umsatzsteuererklärung ab, sondern beantragen die Erstattung der Vorsteuer im sog. Vergütungsverfahren.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gesellschaft, die im Ausland ansässig war und mit Gas handelte. Im Jahr 2018 tätigte sie nur einen Umsatz in Deutschland, bei dem sie Gas, das in Deutschland gelagert war, von B erwarb und an C weiterverkaufte. Im Folgejahr 2019 tätigte sie keine Umsätze mehr in Deutschland. Die Klägerin erhielt von B im Jahr 2018 eine Rechnung über das gelieferte Gas, jedoch ohne Umsatzsteuerausweis, da die Klägerin und B zu Unrecht davon ausgingen, dass die Gaslieferung nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Im Januar 2019 berichtigte B seine Rechnung und wies nun Umsatzsteuer aus. Die Klägerin machte die von B in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer für 2018, hilfsweise für 2019, geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage für 2019 statt:
Die Klägerin hatte zwar im Jahr 2018 ein Recht auf Vorsteuerabzug. Denn sie war Unternehmerin und hatte für ihr Unternehmen Gas von B eingekauft. Sie konnte dieses Recht aber nicht im Jahr 2018 ausüben; denn sie verfügte im Jahr 2018 noch nicht über eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis.
Eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis hat B erst im Jahr 2019 erstellt und dies als berichtigte Rechnung bezeichnet. Zwar wirkt eine Rechnungsberichtigung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnung zurück; dies gilt aber nicht, wenn in der ursprünglichen Rechnung (aus dem Jahr 2018) keine Umsatzsteuer ausgewiesen war.
Die Klägerin konnte daher erst im Jahr 2019 den Vorsteuerabzug geltend machen, weil ihr erst im Jahr 2019 eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis vorlag. Unschädlich ist, dass für die Klägerin im Jahr 2019 nicht mehr das allgemeine Besteuerungsverfahren galt, weil sie im Jahr 2019 keinen umsatzsteuerbaren Umsatz mehr in Deutschland tätigte. Denn die Vorsteuer aus der Rechnung des B betraf eine Lieferung aus dem Jahr 2018, als für die Klägerin das allgemeine Besteuerungsverfahren galt. Die Klägerin muss also die Erstattung ihrer Vorsteuer nicht im Vorsteuervergütungsverfahren beantragen.
Hinweise: Nach dem Urteil gibt es für Unternehmer, die im Ausland ansässig sind, kein Wahlrecht zwischen dem allgemeinen Besteuerungsverfahren und dem Vergütungsverfahren. Für die Klägerin galt das allgemeine Besteuerungsverfahren, weil die Vorsteuer ein Jahr betraf (nämlich 2018), in dem die Klägerin zumindest einen Umsatz in Deutschland ausführte. Hätte die Vorsteuer eine Eingangsleistung aus dem Jahr 2019 betroffen, hätte die Klägerin die Vorsteuer im – fristgebundenen – Vergütungsverfahren geltend machen müssen.
Der BFH hat der Klage zwar im Grundsatz stattgegeben und den Vorsteuerabzug im Jahr 2019 zugelassen; er hat die Sache allerdings an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil die genaue Höhe des Vorsteuerabzugs sowie die Höhe der Umsatzsteuer aus dem Gasverkauf an C zu ermitteln ist, da die Rechnungen von B an die Klägerin sowie von der Klägerin an C jeweils in US-Dollar ausgestellt wurden. Für die Umrechnung ist der sog. Umsatzsteuer-Umrechnungskurs des Monats der Leistung zu Grunde zu legen.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.6.2025 – XI R 17/22; NWB